Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein war das Leben in den einzelnen Orten Jettingen-Scheppachs feudal-naturalwirtschaftlich geprägt. Land- und Forstwirtschaft sowie damit verbundenes Handwerk (Metzger, Käser, Müller, Wirte, Krämer, Schmiede, Bäcker, Schreiner, Gerber u.a.) sorgten für das meist spärliche Auskommen der Dorfbewohner. Daneben wies das Wirtschafts- und Erwerbsleben der Orte Jettingen und Scheppach zwei Besonderheiten auf: den Torfstich und ein ausgeprägtes Weberhandwerk.
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Aus dem seit jeher stark vertretenen Weberhandwerk entstand als zweite Besonderheit der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Jettingen-Scheppachs die ausgesprochene Webertradition, v.a. in Scheppach. Auf sie geht auch die Ansiedlung des ersten Industriebetriebes auf dem Gebiet des späteren Jettingen-Scheppach zurück: Die Zwirnerei und Nähfadenfabrik Göggingen errichtete 1893 an der alten Scheppacher Mühle an der Mindel (erstmals urkundlich erwähnt 1211) einen Zweigbetrieb; 1914 ging dieser Betrieb in den Besitz der Mechanischen Weberei Hildenbrand, Göppingen, über. Das Werk (von den Scheppachern nur „Fabrik“ genannt) spezialisierte sich nun auf die Herstellung von Blautuch, Schuhfutter, Bettdamast, Flanell- und Nachthemden. 1930 arbeiteten in dem Fabrikationsbetrieb 130 Mitarbeiter. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Weberei zur Rüstungsschmiede umfunktioniert und zur Produktion von Röhren für die vom NS-Regime als „Wunderwaffe“ apostrophierten V2 herangezogen. Von den Amerikanern 1945 bomdardiert, wurde die Scheppacher Weberei nach dem Krieg wieder aufgebaut und in Betrieb genommen. Der Vorkriegsstand an Arbeitsplätzen wurde jedoch bei weitem nicht mehr erreicht. Die Strukturkrise der deutschen Textilindustrie, welche mit der kostengünstigeren Auslandproduktion immer weniger mithalten konnte, erfasste auch die Scheppacher Fabrik. Die Folge waren häufige Besitzerwechsel und schließlich Mitte der 1980er Jahre der Konkurs und die endgültige Stilllegung des Betriebes. Somit starb in Scheppach ein Wirtschaftszweig und Berufsstand, der dort seit dem 17. Jahrhundert belegt war.
Die Neuzeit mit ihren wirtschaftlichen, sozialen und technischen Errungenschaften hielt im heutigen Jettingen-Scheppach erst ganz allmählich ab Mitte des 19. Jahrhunderts und dann richtig nach dem 2. Weltkrieg mit den Wirtschaftswunder-Jahren Einzug. Damit einher ging ein tiefgreifender Wandel in den späteren Ortsteilen: sowohl was deren Bebauung, wirtschaftliche und infrastrukturelle Entwicklung als auch die Berufsbilder der Einwohner und deren Lebens- und Wohngewohnheiten angeht.
Wichtige Meilensteine auf dem Weg in die Gegenwart
Exemplarisch für die Entwicklung aller Ortsteile Jettingen-Scheppachs im
Zeitalter der Entfeudalisierung und Industrialisierung sei hier in
groben Zügen der Weg des Ortsteils Freihalden in die Moderne
geschildert:
Als Reaktion auf die März-Revolution hebt König Max II. Joseph 1848 auch in den schwäbischen Dörfern die standes- und gutsherrliche Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt auf. Ebenso entfallen die Naturalfrondienste und die Zehnt-Abgaben. Die Bauern werden Eigentümer ihres Bodens, den sie zuvor nur als Lehen bewirtschaftet hatten. Anfang der 1850er Jahre erlebt Freihalden durch den Bau der durch den Ort verlaufenden Eisenbahnstrecke Augsburg-Ulm kurzzeitig einen starken Einwohnerzuwachs: von 340 (im Jahr 1840) auf 536 (1852). Im Jahr nach der Inbetriebnahme der Strecke am 1. Oktober 1854 sind es dann aber wieder nur 304 Einwohner. Gleichwohl hatte die Bahnstrecke großen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Dorfes, besonders als Freihalden nach intensiven Bemühungen der Gemeindevorsteher im Jahr 1893 eine eigene, bis heute existierende Haltestelle erhalten hatte. Im 20. Jahrhundert veränderten technischer Fortschritt, Krieg und Vertreibung und der damit einhergehende sozio-ökonomische Wandel das Gesicht des Dorfes von Grund auf: 1925 hielt die Elektrifizierung in Freihalden Einzug, in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre wurden die Ortskanalisation angelegt und die Straßen außer- und innerorts ausgebaut und geteert. In den ersten Nachkriegsmonaten schnellte die Einwohnerzahl Freihaldens durch den Zustrom von Heimatvertriebenen von 386 (1938) auf 732 im Jahr 1947 hoch. Auf dem damaligen Niveau blieb sie bis heute etwa konstant. Um dem Wohnungsmangel infolge des rasanten Bevölkerungsanstiegs zu begegnen, wurden seit den 50er Jahren mehrere neue Baugebiete ausgewiesen. Eine rege Bautätigkeit setzte ein, die in den 70er und 80er Jahren ihren Höhepunkt erreichte. Gleichzeitig wandelte sich die Sozialstruktur Freihaldens tiefgreifend: War das Dorf vor dem Krieg noch rein landwirtschaftlich geprägt, änderte sich dies hin zum heutigen Charakter einer Pendlergemeinde mit nur noch wenigen bäuerlichen Anwesen und sehr unterschiedlichen Erwerbsbiografien ihrer Bewohner.
Die Geschichte der einzelnen Orte, aus deren verwaltungsmäßiger Zusammenfassung in den 1970er Jahren der Mark Jettingen-Scheppach hervorgegangen ist, wird ab dem 11. Jahrhundert fassbar. Drei Entwicklungs-Hauptlinien zeichnen sich ab.
Im 13. Jahrhundert werden die Geschlechter, die diese erste Phase der Herrschaftsbildung trugen, durch die Herren von Knöringen und vom Stain abgelöst, die für lange Jahrhunderte die Geschicke der einzelnen Orte prägen sollten. In dieser zweiten Phase des Machtausbaus treten im beginnenden 14. Jahrhundert auch die Habsburger auf den Plan. 1301 beginnt die 500-jährige Geschichte der habsburgischen Markgrafschaft Burgau. Scheppach gewinnt seine Sonderrolle als vorderösterreichischer Ort, während Jettingen, Eberstall und Ried im Besitz des landständischen Adels bleiben, allerdings unter habsburgischer Landeshoheit. Schönenberg kommt 1330 an das Chorherrenstift Wettenhausen. Die beiden übrigen Ortsteile Jettingen-Scheppachs werden um diese Zeit erst gegründet: Ried (erste urkundliche Erwähnung 1293) und Freihalden (erste urkundliche Erwähnung 1352).
Ausführlichere Informationen zu den einzelnen Ortsteilen, deren Ursprung und herrschaftsgeschichtlichen Entwicklung finden Sie unter Ortsteile